Clown und Sportfreund

Erstellt am 20. September 2019

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Die Halle war von Anfang an „sein“ Baby. Für den Verein hatte es drei oder vier vergebliche Anläufe gegeben, einen vom Bezirk aufgegebenen Schulsport-Standort in eigene Regie zu übernehmen. Unser Sportfreund Werner dachte aber nicht ans Aufgeben, und irgendwann hat es ja dann geklappt. Ausgerechnet in Berlin-Kreuzberg. Die Turnhalle gehörte zu einem Jugendstil-Ensemble, das unter Denkmalschutz stand und deshalb nicht hätte abgerissen werden können. Die Schule selbst hatte irgendwann einem Neubau weichen müssen, der seinerseits längst wieder verschwunden war. Günstige Voraussetzungen also, dass es ein Vereinszentrum bleiben würde und nicht in Gefahr geriet, als Schul-Standort reaktiviert zu werden.

Werner war erst mit 52 Jahren zu uns in den Verein gekommen. Der hervorragend ausgebildete Sportpädagoge „mit Ost-Biografie“ verdiente seine „Brötchen“ allerdings damals schon im Kulturbetrieb, etwa als Unterhaltungskünstler oder Museums-Archivar. Die Welt der Zirkusleute kannte er, der Clown „Kullebum“, wie kein anderer. Seine Freunde staunten jedes Mal, was er wieder für rare alte Zirkus-Filmchen aufgetan hatte. Manchmal stellte er die Videos auch ins Netz. In seiner Sportart verfügte er über ausgezeichnete nationale und internationale Kontakte. Was „Kunstkraftsport“ war, musste er uns im Berliner Westen aber zunächst einmal geduldig auseinandersetzen. Erst später hat sich dann der Begriff „Sportakrobatik“ dafür überall durchgesetzt.

Werner und seine Mitstreiter erhielten also den Auftrag, die Halle sportarttypisch herzurichten und mit sportlichem „Leben“ zu füllen - ein Akrobatikzentrum in einem Brennpunktbezirk, das erregte Aufsehen. Das bezirkliche Sportamt war fair und sorgte noch für eine „Mitgift“ in Form frischsanierter Sanitäranlagen. Die Vereinskasse übernahm die Anschaffung eines neuen „Federbodens“, Abteilungsmitglieder malerten Halle und Nebengelasse. Sportfreund Werner war als Abteilungsleiter über Wochen Tag für Tag vor Ort.

Als ich am späten Abend vor der feierlichen Eröffnung gegen 23 Uhr bei der Parkplatz-Suche zufällig an der Halle vorbeikam, brannte drinnen noch Licht. Ich glaubte, der Sache nachgehen zu müssen, stellte den Wagen ab und ging um das Gebäude zur rückwärtigen Eingangstür. Die stand sperrangelweit offen, und auf dem Hallenboden saß Sportfreund Werner im Schneidersitz, mutterseelenallein, mit Nadel und Faden. Dem Lieferanten des Federbodens hatte er mit großer Überredungskunst die Schaumstoffteile, mit denen die Ladung gesichert war, abgeknöpft, um daraus mit Nesselstoff auf die Schnelle noch ein paar zusätzliche Niedersprungmatten zu nähen.

Die Eröffnung am folgenden Tag war eine sportlich und künstlerisch eindrucksvolle Veranstaltung. Zum zwölften Jubiläum des Akrobatik-Zentrums hat der Verein den „Motor“ und Ideengeber des Projekts jetzt zum Ehrenmitglied ernannt. Eine verdiente Würdigung.

Dietmar Bothe